Donnerstag, 07.Oktober 1999
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Wissenschaft und Technik

hochschulen / Wissenschaftlerinnen aus aller Welt tauschen sich aus

Eine Alma Mater nur für Frauen

Gesellschaftliche Probleme werden aus weiblicher Perspektive untersucht

Die Internationale Frauenuniversität nimmt Gestalt an - die Ausschreibung der Studienplätze ist angelaufen. 900 Studentinnen aus aller Welt können sich während der Expo 2000 drei Monate lang in sechs Bereichen weiterqualifizieren.

INGE LEIFICK

Im kommenden Sommer wird es in Deutschland eine Hochschule geben, die alle Reformvorschläge für eine Universität der Zukunft aufgreift: internationale Studiengänge, Lehrende und Forschende aus aller Welt, interdisziplinäre Forschungsfelder, Einsatz modernster Medien und Einbezug universitätsfremder Personen. Allerdings nimmt diese Hochschule nur Frauen auf.

Im Rahmen der Expo 2000 wird die Internationale Frauenuniversität (ifu) unter dem Motto ¸¸100 Tage für 100 Jahre'' ihre Pforten öffnen. Während der Weltausstellung sollen Frauen die Möglichkeit bekommen, nur unter Geschlechtsgenossinnen zu studieren. Was jetzt in Deutschland Premiere hat, ist in anderen Ländern schon gang und gäbe. In Japan und Korea gibt es Frauenuniversitäten, allein in Seoul existieren fünf Hochschulen für Frauen. 95 Prozent aller Naturwissenschaftlerinnen und zwei Drittel aller promovierten Frauen in den USA kommen aus ¸¸Women's Colleges''. Berühmteste Absolventin ist Hillary Clinton.

Unzufrieden mit Status quo

Zweck der Frauenhochschulen ist nicht, Schutzräume für Studentinnen zu schaffen, sondern Wissenschaftlerinnen gezielt zu fördern. Dass dies auch in Deutschland notwendig ist, zeigt ein Blick auf die Statistik: Obwohl von den Hochschulabsolventen 46,4 Prozent Frauen sind, lag der Anteil der Dozentinnen an den Professorenstellen 1997 bundesweit gerade bei neun Prozent, in Baden-Württemberg waren es 7,9 Prozent. Je höher eine Position in der akademischen Hierarchie angesiedelt ist, desto dünner wird die Luft für Frauen.

Unzufrieden mit diesem Status quo gründeten vor vier Monaten einige Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen die Internationale Frauenuniversität GmbH (ifu).

¸¸Für mich macht ein solches Projekt Sinn in der Verbindung von Hochschulreform, feministischer Wissenschaftskritik und Frauenförderung. So soll auch die Frauenuniversität ein Ort sein, an dem Frauen Neues denken, Innovationen in der Wissenschaft konzipieren, an dem sie mit neuen Lehr- und Lernformen experimentieren, Teamarbeit erproben, neue Studieninhalte einführen, Verantwortung tragen und Leitungsaufgaben übernehmen'', fasst Prof. Anylâ Neusel, Präsidentin der ifu, die Vorstellungen der Initiatorinnen zusammen.

Die Idee der Frauenuniversität entwickelte sich aus der Arbeit der niedersächsischen Frauenforschungskommission. Bereits 1994 empfahl die Kommission dem Wissenschaftsministerium, eine Alma Mater für Frauen zu gründen. Inzwischen nimmt die Idee Gestalt an. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) wurden die Studienplätze ausgeschrieben. Studiensprache ist Englisch.

Vom 15. Juli bis 15. Oktober 2000 können 900 Hochschulabsolventinnen aus aller Welt in Hannover, Hamburg, Kassel und Bremen Impulse für ihre wissenschaftliche Arbeit bekommen, Kontakte schließen und Netze knüpfen. Ein Drittel der Studentinnen soll aus Deutschland, ein Drittel aus Entwicklungsländern und ein Drittel aus der übrigen Welt kommen. Es können sich auch Frauen bewerben, die sich mit den Problemen der Forschungsbereiche künstlerisch oder praktisch befassen.

¸¸Nachwuchswissenschaftlerinnen erhalten in Hannover die Chance, eine zusätzliche Qualifikation zu erlangen und die Gelegenheit, ein weltweites Netzwerk aufzubauen als Gegenwicht zu den von Männern dominierten Netzwerken'', erläutert Carola Bauschke, Pressereferentin der ifu.

Sechs Projekte angeboten

Es werden sechs Projektbereiche angeboten: Arbeit, Information, Körper, Migration, Stadt und Wasser. Unter dem Leitmotiv ¸¸Technik und Kultur'' werden fachübergreifende Fragestellungen bearbeitet. Im Bereich Körper werden beispielsweise Medizinerinnen mit Soziologinnen zusammenarbeiten. Im Forschungsfeld Arbeit werden die Veränderungen der Arbeitswelt, bedingt durch die weltweiten ökonomischen Umbrüche, untersucht. Was bedeutet diese Entwicklung für die Erwerbsarbeit von Mann und Frau? Welche Arbeit wird den Frauen in Zukunft zur Verfügung stehen? Welche Qualifikationen müssen Frauen erwerben, um ihren Lebensunterhalt angemessen sichern zu können?

Die besten Wissenschaftlerinnen aus aller Welt sollen gemeinsam mit den Studentinnen Lösungen zu diesen wichtigen gesellschaftlichen Themen entwickeln. Die Forschung in den einzelnen Projekten soll bisher vernachlässigte geschlechtsdifferente Ansätze in die Auseinandersetzung bringen.

Die Beteiligten sollen die Frauen- und Geschlechterforschung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und in die Wissenschaft andere Fragestellungen hineintragen.

Offiziell eröffnet wird die Frauenuniversität bereits in diesem Herbst. Am 8. und 9. Oktober stellen die Dozentinnen ihre Projektbereiche in Hannover vor.

INFO

Frauen, die über einen Studienabschluss und sehr gute Englischkenntnisse verfügen, können sich für die Frauenuniversität bewerben. 40 Prozent der Teilnehmerinnen sollen ein Stipendium bekommen. Weitere Informationen bei: Internationale Frauenuniversität. Blumenstraße 6, 30159 Hannover, (TELS) 0511/120-8660 oder -8664. Fax: 8691. Internet: www.Int-Frauenuni.de; E-Mail: postmaster@ifu.niedersachsen.de


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