Wer will an der Frauenuni studieren?

Die Bewerbungsfrist für ein einmaliges Hochschulprojekt im Rahmen der Expo läuft

Von Sigrid Metz-Göckel

Der "point of no return" ist längst überschritten und was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, wird nun Wirklichkeit. Bis Ende November läuft die Bewerbungsfrist für die 900 verfügbaren Studienplätze der Internationalen Frauenuniversität "Technik und Kultur" (ifu), die vom 15. Juli bis zum 15. Oktober des Jahres 2000 in Hannover stattfinden wird. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat die Bewerbungsbroschüre an alle seine Außenstellen, sämtliche deutsche Botschaften, die ausländischen Niederlassungen verschiedener Stiftungen sowie weitere international tätige Institutionen ausgeliefert. Auch bei der Internationalen Frauenuniversität ist man mit Nachdruck darum bemüht, die Informationen weit über den Kreis informationstechnisch privilegierter Interessentinnen mit Zugang zum Internet hinaus unter Nachwuchswissenschaftlerinnen, Aktivistinnen in Nichtregierungsorganisationen und Künstlerinnen zu verbreiten. Adressatinnen des Studienangebots sind wissenschaftlich ambitionierte Frauen in aller Welt, die über einen Hochschulabschluß (Diplom- bzw. Bachelor-Abschluß) verfügen oder diesen vor Beginn des ifu-Semesters erreicht haben werden. Auf sie wartet ein intellektuell aufregendes und sozial herausforderndes Semester, das in seinem interdisziplinären und problemorientierten Zuschnitt, der integrierten Geschlechterperspektive und der internationalen Zusammensetzung der Beteiligten bislang einmalig ist.

Interessentinnen mit guten Englischkenntnissen (Nachweis per TOEFL-Test oder vergleichbaren Sprachzeugnissen) wird ein postgraduales Studium mit einer Forschungskomponente angeboten. Sie können sich für einen der sechs Projektbereiche bewerben: Information, Stadt, Migration, Wasser, Körper und Arbeit. Das Curriculum für diese Schwerpunktbereiche wurde bislang von sechs international zusammengesetzten Arbeitsgruppen unter Beteiligung von etwa 40 Wissenschaftlerinnen entwickelt. Die Präsidentin der Internationalen Frauenuniversität, Ayla Neusel, setzte im Juli in Hannover die Dekaninnen der als Projektbereiche bezeichneten sechs Studienschwerpunkte in ihre Ämter ein. Am 9. Oktober wurde das symbolische Richtfest der ifu in Hannover gefeiert mit allen Dekaninnen, FördererInnen und Vertreterinnen der Öffentlichkeit.

Während des ifu-Semesters werden etwa 150 Dozentinnen mit den Studierenden lehrend und lernend zusammenarbeiten. Ein Teil der Lehrenden wird in der Funktion sogenannter Eckprofessorinnen während der gesamten Zeit vor Ort sein, andere nur für kürzere Perioden. Es wurden internationale Wissenschaftlerinnen und kreative Praktikerinnen als Lehrende gewonnen. Das Studium gliedert sich in eine Einführungsphase, eine Projektphase und eine Auswertungs- und Präsentationsphase. Vorgesehen sind Fachexkursionen zu anderen deutschen Hochschulen sowie nach Berlin. Projektbereichsübergreifende ganztägige Veranstaltungen an den Freitagen des ifu-Semesters sind öffentlich zugänglich.

Die Studentinnen erhalten für ihre Studienleistungen an der Internationalen Frauenuniversität ein differenziertes Zertifikat. Um die interdisziplinär und interkulturell geprägten gemeinsamen Erfahrungen während des ifu-Semesters für die Zukunft produktiv zu halten, wird den Absolventinnen die Möglichkeit gegeben, auch nach dieser "Präsenzphase" im Rahmen einer "virtuellen Universität" vernetzt zu bleiben - ein Angebot, das zum weltweiten Austausch zwischen jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und etablierten Wissenschaftlerinnen beitragen soll. Die Initiatorinnen sind zuversichtlich, daß die ifu zu einem Erlebnis in der wissenschaftlichen Kommunikation wird, wie es die Weltkonferenzen von Frauen im Politikbereich vermitteln.

Die Beteiligung an der ifu soll nach einem Länderschlüssel geregelt werden: höchstens ein Drittel der Studentinnen soll aus Deutschland kommen, ein zweites Drittel aus anderen Industrieländern einschließlich der mittel- und osteuropäischen Länder und das dritte Drittel soll von Teilnehmerinnen aus den sogenannnten Entwicklungsländern besetzt werden. Um die Teilnahme an der ifu nicht an finanziellen Problemen der Interessentinnen scheitern zu lassen, sollen mindestens 40% der Studienplätze durch ein Stipendium gefördert werden. Eine Reihe namhafter Stiftungen und Organisationen hat bereits die Finanzierung einer größeren Anzahl von Stipendien zugesagt. Darüber hinaus soll ein Teilnahmebeitrag von 600 DM pro Studentin in einen Solidarfond fließen, aus dem ebenfalls Stipendien finanziert werden. Die ifu ist nicht nur im wissenschaftlichen Zuschnitt ein radikales Reformexperiment. Sie ist auch in weiteren Aspekten innovativ:

- angestrebt wird eine Integration von Kunst und von Künstlerinnen in die Curricula,

- integraler Bestandteil des Konzepts ist ein Service Center, das statt auf eine "Verwaltung" der Studierenden auf die Kombination zwischen einem nutzerfreundlichen Dienstleistungspaket und Elementen studentischer Selbstorganisation setzt;

- die sogenannte "virtuelle ifu", die Internet-Plattform der Internationalen Frauenuniversität, wird die Präsenzphase vorbereiten, unterstüzend begleiten und das Projekt in die Zukunft verlängern;

- eine öffentliche Veranstaltungsreihe bietet Raum für die projektbereichsübegreifende Diskussion hochbrisanter Themen und Problemstellungen;

- das Gesamtprojekt wird von einem Evaluationsvorhaben begleitet.

Die ifu ist als zentraler Campus in Hannover mit weiteren dezentralen Standorten organisiert. Beteiligt sind neben der Universität Hannover die Universitäten Hamburg, Kassel und Bremen, die TU Clausthal sowie die Fachhhochschule Nordostniedersachsen, Standort Suderburg. Als deutlich wurde, daß die ifu ein ambitioniertes Reformexperiment in der deutschen Hochschullandschaft werden könnte, haben sich weitere Universitäten für die Mitgestaltung interessiert. Den reformbegeisterten Initiatorinnen ist es gelungen, zahlreiche Stellen von einer finanziellen und ideellen Beteiligung an diesem großen Projekt zu überzeugen.

Zu den großen Finanzgebern zählen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Land Niedersachsen mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur und insbesondere mit der Volkswagenstiftung, das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), die Europäische Union, die Stadt Hannover, die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, die Stadt Kassel. Es gibt also viele gute Gründe, der ersten Universität der Frauen auf deutschem Boden mit ihrem richtungsweisenden Zuschnitt mit Spannung entgegenzusehen.

Kontakt: Internationale Frauenuniversität GmbH ; Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Blumenstraße 6, D 30159 Hannover; Telefon: (0511) 120-8660. Der aktuelle Stand des Studienangebots: http:/www.Int-Frauenuni.de; Ausschreibungsunterlagen unter: ifu@daad.de

 

[ dokument info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 1999
Dokument erstellt am 20.10.1999 um 20.45 Uhr
Erscheinungsdatum 21.10.1999

 

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