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Akademische Türöffner

Im Hintergrund: Politik und Wirtschaft wollen mehr ausländische Studenten

Von Michael Bayer (Frankfurt a. M.)

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) möchte Studierenden mit Stipendien Aufenthalte im Ausland schmackhafter machen. Gleichzeitig startet die Bundesregierung ein Programm, das mehr junge Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland locken soll.

Dass eine an ausländische Studierende gerichtete Initiative nötig ist, darüber sind sich Vertreter aus Politik, Hochschulen und Wirtschaft einig. Bei nur sechs Prozent liegt der Anteil der Studierenden ohne deutschen Pass, lässt man die Jugendlichen weg, die in Deutschland aufgewachsen sind. Und: Mehr als die Hälfte davon hätte bei freier Wahl ein anderes Land bevorzugt, heißt es in einer Studie, die das Deutsche Studentenwerk (DSW) im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Als wünschenswert hatte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bereits 1988 einen Anteil von zehn Prozent in die Diskussion gebracht. Seither wird diese Marke immer wieder genannt.

"Wissenschaft ist in ihrem Ansatz und Selbstverständnis international ausgelegt" - das ist die bildungspolitische Begründung der Hochschulrektoren. Es geht ihnen aber um mehr, wenn sie betonen, es sei im deutschen Sinne, die künftigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Führungskräfte auszubilden: um ökonomische Interessen. Das sieht die Politik genauso. Schon Bulmahns Vorgänger Jürgen Rüttgers (CDU) setzte auf "für deutsche Unternehmen wichtige Türöffner im sich verschärfenden internationalen Wettbewerb"; die SPD sprach Mitte Januar in ihrem Bildungsmanifest von "Handelsbotschaftern".

Dahinter steht die Vorstellung, ausländische Studierende gingen nach dem Examen zurück in ihre Heimat und verkauften dort deutsche Produkte; ihnen könnte das eher gelingen als deutschen Absolventen, weil sie mit den Gewohnheiten ihrer Landsleute besser vertraut sind. Um so größer ist in Deutschland die Sorge darüber, dass ausgerechnet die Zahl der Studierenden aus den Wachstumsregionen des asiatisch-pazifischen Raums stagniert; die jungen Leute dort zieht es in die USA, nach Australien und Japan. So warnte am Montag auch der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Theodor Berchem, davor, dass "die gesamte internationale Führungselite von den USA und Australien beeinflusst" werden könnte.

Ist die Forderung nach mehr ausländischen Studierenden in Deutschland unstrittig, gilt das nicht für die Frage, wer kommen soll. Die HRK wünscht sich "hochqualifizierte Studierende", die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gar "die ausländische Exzelenz". So sagte es Hans-Jürgen Brackmann, in der BDA für Bildungspolitik zuständig, der FR. Studierende kritisieren dagegen den verengten Blick auf ausländische Eliten. Stefan Bienefeld, Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs), betont: "Wir dürfen uns nicht beschränken auf Länder, die aus wirtschaftlichen Gründen interessant sind."

Bildungsministerin Bulmahn sagte, ein Modellprogramm mit international ausgerichteten Studiengängen im Blick, die Rahmenbedingungen für ein Studium in Deutschland seien besser geworden. Zu tun indes bleibt noch genug, besonders für Gäste, die nicht aus der EU oder den USA stammen. Das fängt an bei der Aufenthaltsgenehmigung: "Deutsche Auslandsvertretungen sind eher Einreiseverhinderer", berichtet der Leiter der Akademischen Auslandsstelle der Universität in Frankfurt am Main, John-Andrew Skillen. Und: Ein Wechsel des Studienfachs sei wegen der Aufenthaltskriterien nach dem dritten Semester "so gut wie nicht möglich".

Zudem müssen die meisten ausländischen Studierenden mangels Stipendium in Deutschland jobben. Kommen sie nicht aus der EU, dürfen sie das nur an 90 Tagen im Jahr - und müssen für jeden Job eine Prüfung des Arbeitsamts abwarten, die mehrere Wochen dauern kann. Bis dann sind die Stellen längt anders vergeben. Ferner, rügt das Deutsche Studentenwerk, erkennen Hochschulen Vorleistungen aus den Heimatländern oft nicht an - und stufen Studierende mit Abschlussgraden in Anfangssemester ein.

Deutsche Studierende will Bulmahn mit neuen Bafög-Bestimmungen und Stipendien ins Ausland locken. Geht es nach der Bildungsministerin, verbringt dort künftig jeder fünfte Student mindestens ein Semester. Bisher liegt der Anteil bei einem Zehntel.

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2000
Dokument erstellt am 28.02.2000 um 20.45 Uhr
Erscheinungsdatum 29.02.2000

 

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