HilfeArchivProbeabo


Druckversion



Man hört Deutsch in WladiwostokVor allem im Gebiet der ehemaligen UdSSR ist unsere Sprache populär

Von Miodrag Soric

 

Von den schätzungsweise 20 Millionen Menschen, die weltweit Deutsch als Fremdsprache sprechen, leben etwa zwei Drittel in Osteuropa. Besonders populär ist Deutsch auf dem Territorium der früheren Sowjetunion. Alexei Kisselow, stellvertretender Bildungsminister Russlands, sagte unlängst, dass in seiner Heimat Deutsch gleich nach Englisch die beliebteste Fremdsprache sei: "Viele Leute versprechen sich von Deutschkenntnissen neue berufliche Perspektiven."

Diese Erfahrung hat auch Alla Alschwang gemacht, Direktorin der Moskauer Staatlichen Schule Nr. 1249 mit erweitertem Deutschunterricht. In den vergangenen Jahren habe sich die Zahl der Interessenten verdoppelt. Nach Angaben des Auswärtigen Amts würden in Russland rund 4,1 Millionen Menschen Deutsch lernen. Laut DAAD gibt es in Russland 42 000 Deutschlehrer an 30 000 Schulen. In der benachbarten Ukraine lernen knapp 900 000 Schüler Deutsch. Insgesamt gibt es in Russland rund 900 Hochschulen, davon 600 staatliche. An 240 Universitäten wird Germanistik unterrichtet.

Das "größte Klassenzimmer" beim Deutschunterricht in Osteuropa bleibt die Deutsche Welle. Hunderttausende Hörer verfolgen täglich den Radiosprachkurs "Deutsch - warum nicht?". Die Lehrbücher dazu werden mit Hilfe von Inter Nationes verschickt. Der deutsche Auslandsrundfunk erreicht per Kurz- oder Mittelwelle praktisch jedes russische Dorf. Dutzende von lokalen russischen Radiostationen übernehmen vom Satelliten die Radiosprachkurse der Deutschen Welle und strahlen die Programme über die eigenen UKW-Frequenzen wieder aus. Gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag und dem Goethe-Institut entwickelte die Deutsche Welle vor gut einem Jahr sogar einen Radiosprachkurs für Wirtschaftsdeutsch. Das entsprechende Lehrbuch erhalten die Hörer auf Anfrage umsonst.

Auch die Goethe-Institute in Moskau und Sankt Petersburg können bestätigen, dass das Interesse an der deutschen Sprache in Russland eher zu- als abnimmt. Oft müssen Russen zwei bis drei Jahre warten, bis sie einen Platz in einem der Sprachkurse erhalten. Gemeinsam mit den Goethe-Instituten hat die GTZ einen Deutschkurs speziell für Russlanddeutsche entwickelt, der von 2000 Lehrern an 700 Orten in Russland und Kasachstan betreut wird. Apropos Zentralasien: Wer wissen will, wieviele in Kasachstan, Usbekistan oder in Tadschikistan Deutsch lernen, bewegt sich auf schwankendem Statistikboden. Das gleiche gilt für die Kaukasusrepubliken Georgien, Armenien und Aserbaidschan.

Fest steht indessen, dass sich die deutsche Sprache in allen Nachfolgestaaten der Sowjetunion großer Popularität erfreut. Praktisch in jeder größeren Stadt zwischen Tallinn und Wladiwostok gibt es Schulen mit erweitertem Deutschunterricht oder Universitäten mit mindestens einem Germanistiklehrstuhl.

Unmittelbar nach dem Auseinanderbrechen der UdSSR bestand sogar die Chance, dass Deutsch und nicht Englisch die populärste westliche Fremdsprache sein würde. Darauf hoffen auch heute noch viele Deutschlehrer in Russland. Damit würde an eine Tradition angeknüpft werden, die mit der Oktoberrevolution ein plötzliches Ende fand. Denn im vergangenen Jahrhundert war Deutsch die Lingua franca in Osteuropa, übrigens nicht nur im russischen Zarenreich.

Weshalb die Regierung Kohl 1991 die Träger der auswärtigen Kulturarbeit in Osteuropa nicht stärker unterstützte, soll hier nicht erörtert werden. Fest steht: Eine solche Chance kommt so schnell nicht wieder. Misst man die jetzige Bundesregierung an ihren Taten, entsteht ein eindeutiges Bild: Die Verbreitung der deutschen Sprache genießt keine Priorität. Anders kann der Kahlschlag im Haushalt der Deutschen Welle nicht gedeutet werden. Eine Folge der Haushaltskürzungen ist die wahrscheinliche Schließung der Programme für Tschechien, die Slowakei, Slowenien oder Ungarn. Drastisch reduziert werden sollen die Sendungen für Polen, Rumänien und Griechenland. Das ukrainische Programm, das dieses Jahr auf Sendung hätte gehen sollen, wird nicht eröffnet. Und mit dem Abschalten der Fremdsprachenprogramme für Ost- und Südosteuropa verstummen auch die Deutschlektionen für die betreffenden Länder.

Den meisten wäre es wohl lieber gewesen, wenn Friedrich der Große in diesem Satz ein anderes Modalverb benutzt hätte. Wenn er nicht "muss" gesagt hätte, sondern "darf", generös und gnädig. Oder "kann", mit der toleranten Interessiertheit des Ermöglichers. Vielleicht auch "soll", liberal und zugleich kirchenpolitisch engagiert. Überliefert aber ist das "muss". Als habe jeder Untertan einzig und allein selbst zu sehen, was mit seiner Seele im Himmel und auf Erden wird, als dürfe niemand es auch nur wagen, den König mit Glaubensdingen zu behelligen. So ist dieses "jeder nach seiner Fasson", eines der berühmtesten der vom Alten Fritz überlieferten deutschsprachigen Zitate, letztlich ein Ausdruck gerade dessen, was Deutsche bei ihren Regenten eher ungern sehen: totale Indifferenz gegenüber allem Erbaulichen, Moralisch-Spirituellen. Und weil solche Gleichgültigkeit hierzulande nicht sonderlich beliebt ist, wurde denn auch nicht auf Deutsch, sondern nur auf Französisch überliefert, was Friedrich der Große von der Religion wirklich dachte: "Un système fabuleux plus ou moins absurde." mka

Miodrag Soric ist Leiter der russischen Redaktion der Deutschen Welle.

Mehr über den Sprach- und Kulturaustausch mit Mittel- und Osteuropa beim Verein MitOst:

http://www.mitost.de

 

1