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Wenn Freundschaften nichts mehr wert sindKürzungen im Deutschen Akademischen Austauschdienst: Die Kulturfinanzierung setzt die falschen Prioritäten

Von Berthold Seewald

Bonn ­ Früher opferte man den Göttern ein Schwein. Später griff man auf Kerzen oder Gelübde zurück. Denn wenn das Unglück naht, erinnert sich der Mensch gern alter Rituale. Seit Erfindung der kameralistischen Buchführung heißt das: jammern, nochmals jammern ­ und die Freunde mobilisieren.

So läuft es auch im deutschen Kulturbetrieb, seit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) seinen Sparbefehl erließ. Seitdem häufen sich in den Redaktionen die Briefe, in denen kaum bekannte Organisationen ihre Leistungen in glänzenden Farben malen und mit einer Liste illustrer Zeugen aufwarten, die gegen jeden möglichen Sparzwang aufrufen.

Doch es gibt Ausnahmen. „Wir bringen unseren Beitrag", sagt Christian Bude, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Bonn. Seit Tagen wird in seinem Haus gerechnet, was es heißt, wenn das Auswärtige Amt seinen Scheck um 11,3 Millionen Mark reduziert. Bei einem Gesamtetat von knapp 400 Millionen Mark ein überschaubarer Betrag, möchte man meinen. Doch die ganze Wahrheit ist schrecklicher.

50 Prozent vom Gesamthaushalt des DAAD trägt das Auswärtige Amt, den Rest teilen sich Bildungsministerium (100 Millionen), das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (40 Millionen), EU, ausländische Regierungen und private Geldgeber. Deren Einsparungen aber sind noch nicht angemeldet. Hinzu kommt, daß der Außenminister in den nächsten Jahren seinen Kulturetat um bis zu 20 Prozent einsparen will ­ mit erheblichen Folgen für den DAAD. Eine davon läßt sich jetzt schon absehen. Die „Personalverstärkungsmittel" werden nicht mehr bereitgestellt. Hinter diesen „PVM" verbarg sich eine Art schwarzer Kasse, in der sich die Mittel fanden, aus denen abzusehende Erhöhungen der Gehaltstarife aufgefangen wurden. Diese wird es ­ da darf man den Gewerkschaften trauen ­ weiterhin geben. Die Gelder aber muß sich der DAAD aus dem eigenen Fleische schneiden.

Da kommt es dem Amt ganz recht, daß es ­ anders als das Goethe-Institut ­ fast 90 Prozent seiner Mittel ins Programm steckt. Also muß nur an den Leistungen gespart werden, denkt sich der Steuerzahler. Und das liest sich dann so: 500 Semesterstipendien, 500 Stipendien für Hochschulsommerkurse und 150 Wiedereinladungen an Leute, die schon einmal an einem Programm teilgenommen haben, müssen gestrichen werden. Betroffen sind ­ zunächst ­ Ausländer, die nach Deutschland kommen wollen, Studenten höherer Semester, Graduierte, Doktoranden und Wissenschaftler. Über Kürzungen für Deutsche, die es in die Fremde zieht, weiß man im DAAD noch nichts. Für die tritt nämlich das Bundesbildungsministerium ein. Und dessen Rechenkünstler schweigen sich aus, noch.

Was aber bedeutet es, wenn 30 Prozent der Semester- und 30 Prozent der kürzeren Stipendien gestrichen werden müssen? 1200 junge, hochqualifizierte Menschen aus aller Welt ­ der DAAD nennt stolz die Zahl von 140 Ländern ­ erhalten Absagen auf ihre Bewerbungen. Und die Leistungen für 500 Lektoren werden um zehn Prozent reduziert. Denn anders als die Goethe-Institute oder das Deutsche Archäologische Institut, vielzitierte „Perle" in der Kulturarbeit des Auswärtigen Amtes, orientiert sich der DAAD nicht an den lukrativen Diplomatengehältern.

Bei soviel Effizienz ist es kein Wunder, daß Bude sein Schärflein für Eichels Sparbüchse zusammenbekam. Als Vater von drei Kindern „bin ich fürs Sparen", sagt er. Sein Problem ist nur, daß er keine Auftritte der Bamberger Symphoniker im afrikanischen Busch finanziert, sondern Stipendiaten zu ihm kommen, denen man vor Monaten bereits einen Vertrag gegeben hat. Und nun weiß er nicht, wie er diesen erfüllen soll. Kein guter Hintergrund für eine Einladung, auf die sich internationale Freundschaft gründen soll, die einmal nationales Einkommen sichern hilft.

Und so eröffnet sich jenseits der Verteilungsrituale der Rotstiftvermerke eine große Chance. Die Chance, endlich einmal nachzudenken, ob die ewige Litanei vom Kulturabbau geeignet ist, diesen aufzuhalten. Oder ob es nicht besser wäre, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im Interesse des Wirts, also des Bürgers, zu gestalten.

Bleiben wir bei den erwähnten Beispielen: 1200 Stipendien gehen dem DAAD verloren, Tendenz steigend. 1200 Multiplikatoren, die in den globalen Wettbewerb nicht mehr eine Erinnerung aus Heidelberg, eine Freundschaft aus Berlin, ein Patenkind in Münster mitnehmen. 1200 Stipendien, die die banale Summe von 11,3 Millionen Mark ausmachen.

Dabei ist doch genug Geld für die Kultur vorhanden. In Berlin gibt es drei Opernhäuser, die mit mehr als 200 Millionen Mark subventioniert werden, obwohl ihre addierte Auslastung 1998 gerade einmal 210 Prozent betrug, ein Haus also faktisch leer stand. Um diesen Zustand zu erhalten, müssen unter dem Diktat des Rotstifts zahlreiche Aufführungen gestrichen werden ­ ohne daß die Auslastung unbedingt steigt, eine merkwürdige Rechnung.

Da ist es gut, daß gegen den Zwang zum Sparen keine Kerze mehr hilft. Er ist real, genauso wie die Frage, ob es sich noch lohnt, mit dem Rasenmäher Subventionen zu kürzen oder nicht doch besser mit dem Verstand. Spätere Generationen könnten es danken.

Der DAAD im Netz:

http://www.daad.org/

 

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