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Q U A L D E R W A H L Green Card oder Hochschulstrukturreform? Von Christiane Schulzki-Haddouti Nicht nur der Wirtschaft fehlen die IT-Fachleute, auch an deutschen Universitäten sind die Lehrstühle dünn besetzt. Bildungsministerin Bulmahn will Experten anwerben - deutsche Wissenschaftler hingegen wünschen sich die Hochschulreform.
"Die Anwendungen dafür müssen erst entwickelt werden", sagt Ulrich Furbach, Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität Koblenz. Die Softwaretechnik ist dafür die Schlüsseltechnologie. Sie muss nicht nur leichter bedienbar, sondern auch robuster und sicherer werden. Nicht nur Anwendungsforschung, sondern auch Grundlagenforschung ist gefragt. US-Experten stellten dies schon vor zwei Jahren in einem wenig beachteten Bericht an den Präsidenten fest und forderten eine Verfünffachung des Etats. Das Ziel: Die führende Rolle der USA in der Informationstechnologie im 21. Jahrhundert zu sichern und auszubauen. Der US-Kongress folgte ihren Vorschlägen im Februar diesen Jahres. Insgesamt verdoppelte sich der Etat für die Forschung in der Informationstechnik. Deutsche Informatikprofessoren zeigten sich zunächst schockiert. Für sie kam dies einer Kriegserklärung gleich. Ende Mai 1999 trafen sie sich im idyllischen Walberberg auf einer zweitägigen Klausursitzung auf Einladung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Veröffentlicht wurde das Ergebnis dieser Sitzung, das so genannte Walberberg-Memorandum, erst im April diesen Jahres. Darin steht der alarmierende Satz, der schon fast einer Kapitulation ähnelt: "Nur bei einer konsequenten Koordination und Konzentration aller verfügbaren Kräfte in Deutschland, verbunden mit beträchtlich verstärkten Bemühungen in der Forschungsförderung", könne es gelingen "diesen sich abzeichnenden Wettbewerbsnachteilen bis hin zur völligen Abhängigkeit überhaupt noch zu entgehen." Bis heute ist wenig geschehen, um dieser "völligen Abhängigkeit" zu entgehen. Allein eine "Ideenwerkstatt" wurde bei der DFG eingerichtet. Sie kostet den Staat nichts. Eine vom Bundesforschungsministerium in Auftrag gegebene "Analyse und Evaluation der Softwareentwicklung in Deutschland" sollte bereits im Mai abgeschlossen sein - veröffentlicht ist sie bis heute nicht. Forschungsministerin Edelgard Bulmahn bleibt die strategische Konzentration auf wenige Leitprojekte übrig, um in einigen Bereichen führende Positionen zu erreichen. Doch die hier geförderten Wissenschaftler laufen in Scharen ins Ausland weg. Ulrich Furbach hat diese Entwicklung für den Bereich "Deduktion", einem Teilgebiet der Informatik und Künstlichen Intelligenz, nachverfolgt. Von 1992 bis 1998 wurde dieser Bereich im Rahmen eines DFG-Schwerpunktprogrammes massiv gefördert. Das Klassenziel, internationale Spitzenleistungen hervorzubringen, wurde erreicht. Doch was danach kam, stellte den Erfolg radikal in Frage: Von 23 "Nachwuchswissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Professorenniveau" zog es 17 auf ausländische Stellen. Zwei von ihnen gingen zur US-Raumfahrtbehörde Nasa, gleich drei zog es ins britische Manchester. "Sie bewerben sich auf die wenigen einschlägigen Professorenausschreibungen und konnten sehr oft wieder nur zeitlich befristete Projektstellen, oft nur für zwei Jahre, erreichen", weiß Furbach. Verschärft wird die Lage in der IT-Grundlagenforschung durch die vom Ministerium forcierte Fusion der GMD (Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung) mit der Fraunhofer-Gesellschaft bis zum 1. Januar 2001: Die GMD-Forscher fürchten einen Run auf Auslandstellen: "Ich habe die Sorge, die besten Wissenschaftler zu verlieren und keine neuen gewinnen zu Können", so GMD-Forscher John McCaskill. Zwei externe Moderatoren, Tom Sommerlatte, Vizepräsident der Unternehmensberatung Arthur D. Little und Professor Arnold Picot von der Universität München wollen am Montag jetzt "Empfehlungen zur Kooperation" vorlegen. Dabei geht es um Finanzierungsfragen und Zielvereinbarungen. Die Situation ist allerdings jetzt schon desolat: Die Universitäten melden im IT-Bereich 75 freie C3- und C4-Stellen und die Fachhochschulen sogar 113 C2- und C3-Stellen. In einem Papier des Deutschen Akademischen Dienstes (DAAD) vom 14. Juli, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, heißt es: "Eine kurzfristige Abhilfe ließe sich nur durch einen 'Zukauf' von Lehrpersonal aus dem Ausland realisieren". Expertenimport, weil man die eigenen Leute nicht halten kann Der DAAD legt deshalb kürzlich das 40-Millionen Mark teure Gastdozentenprogramm "Konrad Zuse 2000" auf. Rund 50 ausländische Gastprofessoren und Lektoren sollen für ein bis vier Semester an eine deutsche Hochschule, um die Lücken zu schließen. Ministerin Bulmahn will zudem mit 650 Millionen Mark im Rahmen der "Zukunftsinitiative Hochschule" weitere ausländische Wissenschaftler auf spezielle "Forschungsprofessuren" anwerben. "Das vorrangige Problem der Informatik ist es nicht, gute Köpfe importieren zu müssen, vielmehr müssen wir deren Abwanderung verhindern," kritisiert Heinrich Mayr, Präsident der Gesellschaft für Informatik schon seit langem. Dafür müssten die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen verbessert werden. Deutsche Wissenschaftler seien zu sehr mit Lehr- und Administrationsaufgaben belastet. Der Aufwand liege "ein Mehrfaches über dem an amerikanischen Universitäten". Die Lösung: "Das deutsche Hochschulsystem müsste von Grund auf reformiert werden". Ein Weg in die richtige Richtung ist für Mayr das Hochschulsonderprogramm zur Weiterentwicklung des Informatikstudiums, für das Bund und Länder Ende Juni 100 Millionen Mark in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung gestellt haben. Allerdings sollte der Betrag auf mindestens 135 Millionen pro Jahr aufgestockt werden.
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