HomepageHilfeVertriebProbeaboDIE WELT online vom 09. 08. 2000 - Forum
DIE WELT online - FORUM



Dienstag, 05. September 2000
Berlin, 00:15 Uhr
online


HOME

TAGESINHALT

POLITIK

WIRTSCHAFT

FINANZEN

IMMOBILIEN

KULTUR

SPORT

FORUM
    Frage der Woche
    Online-Diskussion
    Das Porträt

WISSENSCHAFT

MEDIEN

AUS ALLER WELT

HAMBURG

BERLIN

BREMEN

BAYERN


WEBWELT

BERUFSWELT

REISEWELT

GOURMET

AUTO & BOOT

AUDIOWELT

ARCHIV

TELEFONTARIFE

WETTER

ABONNEMENT


AKTION

MEDIA-INFO

HILFE

IMPRESSUM

KONTAKT

ANMELDUNG






Wir suchen:Technik
• Online-Entwickler
• Web Application & Database Developer
Redaktion
• Praktikanten

 

Die Zukunft ist mehrsprachig (09. 08. 2000)

Die Zukunft ist mehrsprachig

Um die deutsche Sprache nachhaltig zu fördern bedarf es größerer Vernetzung von Bildungs- und Sprachpolitik - Gastkommentar

Von Joachim Sartorius

Eine beliebte Fehlerquelle im Bereich des Sprachlernens ist die so genannte Übergeneralisierung. Eine einmal erkannte Regel findet im Übereifer auch dort Anwendung, wo sie eigentlich nicht zutrifft. So verwenden etwa viele seit der Rechtschreibereform unterschiedslos nur noch die Schreibung "ss" und haben das "ß" völlig aus ihrem Sprachgebrauch verdrängt, obwohl dieses Symbol der deutschen Sprache ja nach wie vor einen klar definierten Verwendungsbereich hat. Mit einem solchen Fall von Übergeneralisierung wurden die Leser der WELT in der Ausgabe vom 3. August konfrontiert. Professor Roland Duhamel, Präsident des belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbands, hat in seinem Gastkommentar ausgerechnet der Institution, die auftragsgemäß mit der Pflege der deutschen Sprache betraut ist, deren Geringschätzung vorgeworfen. Statt aktive Sprachpolitik zu betreiben, hänge das Goethe-Institut "die Fahne nach dem Wind" und beuge sich den angloamerikanischen Moden.

Aufhänger für dieses harsche Urteil des Philologen ist eine Veranstaltung des Goethe-Instituts in Brüssel mit dem deutschen Theologen Hans Küng. Hierfür hatte man weder die Muttersprache des Referenten noch eine der Landessprachen gewählt; stattdessen wurde ausgerechnet auf Englisch diskutiert und referiert. Professor Duhamel sieht hierin einen Verrat an der deutschen Sprache, verkennt in seiner Enttäuschung jedoch, dass es das erklärte Ziel dieser einzigen englischsprachigen Veranstaltung des Jahres war, auch einmal eine Zielgruppe anzusprechen, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Mit Erfolg, denn auf diese Weise konnten immerhin führende europäische Persönlichkeiten vom Rang des Präsidenten der EU-Kommission, Romano Prodi, sowie zahlreiche Botschafter aus aller Welt über den Umweg der englischen Sprache das Gespräch mit einem wichtigen deutschen Denker führen.

Mit der Diskussion über "das Weltethos" (Küngs Thema) oder wichtige Zukunftsfragen zu warten, bis "jeder zunächst einmal die Sprache seines Nachbarn" gelernt hat, wie Professor Duhamel dies in seinem Kommentar suggeriert, scheint mir angesichts der Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit (deren Förderung im Übrigen genauso ein Vereinszweck des Goethe-Instituts ist wie die Pflege der deutschen Sprache) gerade an multinationalen Knotenpunkten wie Brüssel illusorisch.

Ethos hin, Ethos her, Europa hin, Europa her: Nicht die Zielgruppe bestimmt beim Protest die Sprache, sondern offenbar soll die Sprache die Zielgruppe bestimmen. Sprache wird so zum Selbstzweck; was durch sie zum Ausdruck kommen soll, scheint sekundär - eigentlich ein Anlass zu einem weiteren Ethiksymposion. Und was ist mit den Seminaren am Goethe-Institut Brüssel, der Lehrerfortbildung, was mit Literaturlesungen junger deutscher Autoren, Gastspielen deutscher Theater, Vorträgen, Filmen? Alles auf Deutsch, doch offenbar nicht geeignet, den "heiligen" Zorn über das eine "Fremdgehen" zu lindern. Ein echter Fall von Übergeneralisierung.

Die wesentliche Frage, wenn wir uns über diesen Einzelfall erheben, lautet doch: Wie fördert man eine Sprache erfolgreich und nachhaltig? Die bedeutende Stellung der deutschen Sprache in der Welt verlangt eine intelligente deutsche Sprachpolitik, keinen unreflektierten Geltungsdrang oder bärbeißiges Insistieren auf vermeintlichen Ansprüchen. Das Goethe-Institut arbeitet daher seit vielen Jahren mit seinen Partnern für eine mehrsprachige Zukunft in Europa und der Welt. Wir plädieren somit für eine Zweibahnstraße in der Sprachförderung wie im kulturellen Austausch insgesamt. Die Förderung von Deutsch im Ausland hat für uns insofern ihr Pendant in der Förderung der Fremdsprachen in Deutschland. Schließlich sind Sprachkenntnisse eine Schlüsselqualifikation unserer kommenden Generationen. Im Hinblick auf die Förderung der deutschen Sprache in Europa begrüßt das Goethe-Institut deshalb den Vorschlag, in allen europäischen Ländern zwei Fremdsprachen als verpflichtend bis zum Schulabschluss zu führen. Mit Blick auf Deutschland braucht unsere Bildungspolitik im Inneren und unsere Sprachpolitik im Äußeren eine stärkere Vernetzung, die Koordination aller Förderinstrumente, vor allem im Hinblick auf die leider immer wieder vernachlässigte kulturelle Dimension der europäischen Integration. Hier wäre der Impetus einer neuen sprachpolitischen Verständigung über Ziele und Inhalte der Förderung von Deutsch im Ausland am lohnendsten.

Dr. Joachim Sartorius ist Generalsekretär des Goethe-Instituts in München

An dieser Stelle lädt die WELT täglich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, ihren Standpunkt zu vertreten.


 
Unser Buchtipp dazu:
"Die internationale Stellung der deutschen Sprache" von Ammon, Ulrich, versandkostenfrei bestellen bei bol.de
oder über den WELT-Buchshop:

Zur aktuellen Channel-Übersicht
Tagesübersicht

 


nach oben






Channel:Forum
Ressort:Forum
Erscheinungsdatum:09. 08. 2000