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The Goethe Institute, Brussels (03. 08. 2000)

The Goethe Institute, Brussels

Gastkommentar - Das Goethe Institut lädt in Brüssel zu Vorträgen ein, die in englischer Sprache gehalten werden. Dabei soll das Institut die deutsche Sprache im Ausland fördern

Von Roland Duhamel

Was betreibt das Goethe-Institut mit seinen (allerdings gekürzten) Steuergeldern? Anglisierungspolitik. Was macht ein Institut "zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland"? Es fällt so manchem Deutschlehrer und Germanisten, der um sein Fach und seine Stelle bangen muss, in den Rücken.

Jüngstes Beispiel: Brüssel. Auch im Nachbarland Belgien ist die Position von Deutsch als Fremdsprache im Schulwesen zunehmend problematisch geworden, ja in der französischen Landeshälfte so gut wie inexistent (obwohl der wichtigste Handelspartner auch Walloniens Deutschland heißt). Lediglich in Flandern lernt noch über die Hälfte der Jugendlichen ab 15 Jahre (im weiterführenden Sekundarunterricht) etwas Deutsch.

Der Hauptgrund für den Rückgang ist im sinkenden Prestige der Sprache seit den siebziger Jahren zu suchen. Dieses Phänomen wiederum geht, wie auch wissenschaftlich nachgewiesen wurde, auf den mangelnden Willen vieler Deutschsprachiger zurück, sich in der Öffentlichkeit und im benachbarten Ausland ihrer eigenen Sprache zu bedienen - selbst in Situationen, wo dies politisch korrekt sein dürfte.

Nun glaubt auch das Goethe-Institut, dem gegenwärtigen angloamerikanischen Kultur- und Spracheinfluss in Europa seinen Obolus entrichten zu müssen, indem es seit einiger Zeit ins Brüsseler Institut zu englischsprachigen Vorträgen angesehener deutscher Referenten einlädt. Auf diese Weise führt es aber auch der belgischen und europäischen Öffentlichkeit die Belanglosigkeit und Entbehrlichkeit seiner eigenen Sprache vor.

Der belgische Deutschlehrer soll mit einem deutschen Kasperletheater und Hip-Hop-Wettbewerb auskommen, für den Theologen Hans Küng jedoch soll unter den EU-Beamten der Stadt ein besseres Publikum gefunden werden. Dafür nehmen "Goethes" in Kauf, dass sich nicht nur die belgischen Deutschlehrer und Germanisten, sondern auch die größte EU-Kolonie (die deutschsprachige nämlich) vor den Kopf gestoßen fühlen. Nicht zu vergessen die Belgier selbst, deren Sprachen offenbar ebenfalls nicht für gut genug befunden werden, um sie zu verwenden. Sollen sie das als eine wohl eher von Snobismus als von Engagement zeugende Art und Weise von Vergangenheitsbewältigung verstehen?

Ist es nicht vielmehr so, dass sich ein Institut, das sich auf Kosten der deutschen Sprache für die deutsche Kultur einsetzt, à la longue unglaubwürdig macht und auf den ideellen Bankrott zusteuert? Ein Kulturinstitut ist nämlich so entbehrlich wie die Sprache, für die es steht, wie sich dies auch an den Aktivitäten ähnlich gelagerter französischer, italienischer und spanischer Institutionen ersehen lässt.

Das Prestige eines Landes und seiner Kultur ist dem Prestige seiner Sprache direkt proportional. Die Geringschätzung einer Sprache ist kein höheres Verdienst als die Geringschätzung einer Kultur. Und die Kultur des heutigen, demokratischen Deutschland verdient diese Geringschätzung einfach nicht.

Es ist zu bedauern, dass im Zuge der Globalisierung nicht mehr, sondern paradoxerweise weniger Fremdsprachen gelernt werden, als dies noch vor 30 Jahren der Fall war. Damit droht gerade für das vielstimmige, multikulturelle Europa eine einmalige Chance verloren zu gehen, was eines Tages auch böse politische Konsequenzen zeitigen könnte. Mein Land jedenfalls hat gerade dank seiner grundsätzlichen Kulturen- und Sprachengleichheit wenigstens bis heute überlebt.

Eine wirkliche Internationalisierung im Sinne von Kommunikationsbereitschaft und gegenseitigem Kennenlernen setzt voraus, dass jeder zunächst einmal die Sprache seines Nachbarn (aber nicht jeder die Sprache desselben Nachbarn) lernt.

Das Goethe-Institut möchte offenbar seine Fahne nach einem anderen Wind hängen. Zu befürchten ist, dass mindestens die irregeführten belgischen Deutschlehrer und Germanisten fahnenflüchtig werden und ein Institut meiden, das sich einer so kontraproduktiven und wenig loyalen Auffassung seiner Aufgabenstellung im Gastland befleißigt.

Kulturenpluralismus oder Einheitsbrei in (schlechtem) Englisch: Welche Zukunft wünschen wir uns? Diese Frage sollte das Goethe-Institut sich noch einmal gewissenhaft vorlegen.

Univ. Prof. Dr. Roland Duhamel, Antwerpen,ist Präsident des belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbandes (BGDV)

An dieser Stelle lädt die WELT täglich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, ihren Standpunkt zu vertreten.


 
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Erscheinungsdatum:03. 08. 2000