Innenpolitik ist auswärtige Politik

Außenminister Joschka Fischer über die Schwierigkeiten deutscher
Kulturpolitik: Den Imageschaden, der durch die Ausländerfeindlichkeit im
eigenen Land verursacht wird, kann auch ein Goethe-Institut im Ausland
nicht wettmachen

von SEVERIN WEILAND

Beim Besuch des indischen Hochtechnologiezentrums in Bangalore machte
Joschka Fischer kürzlich eine "prägende Erfahrung". Selbstbewusste Ingenieure
traten ihm da gegenüber, Umworbene der deutschen Computerbranche. "Bin ich
denn sicher vor den Skinheads mit meiner dunklen Hautfarbe?", wurde der
Außenminister bei dieser Gelegenheit gefragt. Und: "Sind wir denn überhaupt
erwünscht?"

Das Beispiel, das Fischer gestern auf einem Forum zur auswärtigen Kulturpolitik
in Berlin schilderte, illustriert das Dilemma der einheimischen Debatte. Während
hierzulande die Kürzungen im Etat beklagt werden, geht es bei den Adressaten
um ganz praktische Dinge. Um die Anekdote aus Bangalore kreisten denn auch
Fischers Überlegungen, wie Deutschland sich in der Welt von Morgen
präsentiert. Innenpolitik und Außenwirkung seien heute untrennbar verbunden.
Wenn hierzulande der Präsident der Humboldt-Gesellschaft ausländischen
Akademikern abrate, im Osten wegen der Fremdenfeindlichkeit zu studieren, sei
dies auch durch Goethe-Institute nicht aufzufangen, warnte Fischer: "So viel Geld
können wir für auswärtige Kulturpolitik gar nicht ausgeben, wie damit Schaden
angerichtet wird."

In seinem Vortrag mied Fischer das allgemein verbreitete Lamento, wonach
allein die Etatkürzungen die Kulturpolitik im Ausland bedrohten. Man müsse
tiefer gehen und sich auch fragen, warum das Interesse an der deutschen
Sprache - die nach wie vor ein Schwerpunkt der Kulturpolitik ist - nachlasse:
"Macht deutsche Literatur neugierig? Macht unsere Selbstdarstellung neugierig
auf Deutschland?"

In diesem Zusammenhang warnte Fischer auch vor Illusionen, was den
Stellenwert des Deutschen im internationalen Chor angeht. Die
Kommunikationsform des Internets sei nun einmal Englisch. Daher mache es
wenig Sinn, auf diesem Feld künftig in "einen fruchtlosen Wettstreit" einzutreten.
In der anschließenden Diskussion mit Experten aus Kultur- und Wissenschaft
hütete sich Fischer davor, Versprechungen finanzieller Art zu machen.

Allerdings kündigte Fischer an, eine Debatte um den Ressourceneinsatz in naher
Zukunft anzustoßen. Literaturpäpstin Sigrid Löffler warf ihm daraufhin vor, sein
Credo vom "Einsparen als Gestaltungschance" führe dazu, die kulturpolitischen
Ziele dem "Primat der Einsparungsziele" zu unterwerfen. Woraufhin Fischer
zwar den Sparkurs bedauerte (allein in der auswärtigen Kulturpolitik muss sein
Amt bis 2003 rund 130 Millionen kürzen), sich aber einen Seitenhieb auf die
Krise der Institutionen wie das des Goethe-Instituts nicht verkniff. Der
Finanzminister werde Wünsche nach mehr Geld stets zurückweisen, solange dort
"zu viel für den Apparat und zu wenig für das Programm" ausgegeben werde.

taz Nr. 6184 vom 5.7.2000 Seite 6 Inland 94 Zeilen
TAZ-Bericht SEVERIN WEILAND
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