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Athen brüskiert Bundesregierung

Beschlagnahme des Goethe-Instituts eingeleitet

In Athen ist ein Beschlagnahmeverfahren gegen deutsche Liegenschaften in Griechenland eingeleitet worden, darunter das Goethe-Institut. Hintergrund ist der Rechtsstreit über ein Massaker mit mehr als 200 Toten, das die Waffen-SS 1942 anrichtete. Die Bundesregierung bewertete die Beschlagnahme als völkerrechtswidrig und bestellte den griechischen Gesandten ins Berliner Außenministerium ein.

ATHEN / BERLIN, 11. Juli (ap/me/dpa). Gerichtsvollzieher in Griechenland bereiten die Enteignung von Besitz der Bundesrepublik Deutschland vor. Sie begannen am Dienstag in Athen mit der Schätzung des Goethe-Instituts. Dabei schritt die Polizei zur Unterstützung der Gerichtsbeauftragten ein, nachdem Mitarbeiter des Goethe-Instituts diesen den Zutritt verweigert hatten. Auch die Deutsche Archäologische Schule und die Deutsche Schule in Athen sollten geschätzt werden.

Griechische Justizbehörden streben die Versteigerung der Liegenschaften an, um mit dem Erlös die Familien von Nazi-Opfern zu entschädigen. Das griechische Justizministerium lehnt dies allerdings ab. Ohne die Zustimmung des Justizministers sei eine Enteignung nicht möglich, betonte die Regierung. Griechenland müsse Rücksicht auf sein staatliches Interesse nehmen, sagte Regierungssprecher Dimitris Reppas.

Grund für die Enteignungspläne ist die Haltung Deutschlands zu einer Entscheidung des Obersten Gerichts in Athen, das eine Entschädigung der Familien von mehr als 200 Opfern des SS-Massakers im Dorf Distomo angeordnet hatte. Das Gericht bestätigte im April eine Entscheidung aus dem Jahr 1997, die den knapp 300 Angehörigen umgerechnet rund 55 Millionen Mark zugesprochen hatte. Das Urteil erlaubt den Verwandten, deutsches Staatseigentum im Wert dieser Summe zu beschlagnahmen.

Den Beschluss hatte die Bundesregierung seinerzeit als völkerrechtswidrig bezeichnet. Dann hatte es zwischen Athen und Berlin vertrauliche Regierungskonsultationen gegeben, nach denen die Bundesregierung offenbar nicht damit rechnete, das Athener Justizressort werde Vollstreckungsmaßnahmen zustimmen.

Der jetzige Enteignungs-Versuch sei ebenfalls völkerrechtswidrig, weil "Deutschland nur in Deutschland verklagt werden" dürfe, hieß es am Dienstag in Berlin. Der deutsche Botschafter in Athen wurde aufgefordert, Protest bei der griechischen Regierung einzulegen und sie aufzufordern, "dafür zu sorgen, dass die Maßnahme aufgehoben wird".

Berlin steht auf dem Standpunkt, dass Entschädigungsansprüche im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg durch ein "Global-Entschädigungsabkommen" von 1960, als 115 Millionen Mark gezahlt wurden, abgegolten seien. Für die Verteilung des Geldes sei Athen verantwortlich gewesen. Die "moralische Verantwortung" Deutschlands bestehe fort. Neue Entschädigungen, die dann auch aus anderen Regionen Ost- und Südosteuropas gefordert würden, werde es aber nicht geben.

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2000
Dokument erstellt am 11.07.2000 um 21:03:09 Uhr
Erscheinungsdatum 12.07.2000

 

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