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Der Künstler Angst vor dem globalen EinheitsbreiGespräch mit Staatsminister Michael Naumann über die Zentralmacht Brüssel und europäische Kulturpolitik

 

Der Titel "Orten. Regionen und Zentren. Europa 2000" wies auf die zentrale Fragestellung des Symposiums hin: Drei Tage lang hatte der Deutsche Künstlerbund Ausstellungsmacher, Künstler und Politiker nach Weimar eingeladen, um über mögliche Perspektiven der europäischen Kulturpolitik zu diskutieren. Eines wurde schnell deutlich: Besonders Künstler fürchten nichts mehr als eine zentralistische Brüsseler "Machtzentrale" und eine Globalisierung, die zu einem künstlerischen "Einheitsbrei", einer "Kunst aus Dosen" führt. Mit Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) sprach Gabriela Walde.

DIE WELT: Angst vor dem Zentralismus - damit verbinden viele Kulturschaffende die künftige Europa-Politik.

Michael Naumann: Viele fühlen sich überfordert von den globalen Einflüssen. Aber schauen Sie nach Weimar, dorthin flossen beispielsweise europäische Gelder; ebenso in Konservierungsmaßnahmen der Akropolis, in internationale Theatertreffen in Grenzstädten wie Aachen und Saarbrücken. Denken Sie an das Buchprojekt "Europäische Geschichte" im Fischer-Verlag, kein heißes Thema auf dem Buchmarkt, insgesamt aber ein großes, respektables historisches Unternehmen. Eines ist klar: Brüssel muss mehr Geld für Kultur ausgeben. Auf Initiative der Bundesrepublik einigten sich jetzt die Mitgliedsstaaten; der Etat für die "Kultur 2000" (Laufzeit: fünf Jahre) liegt bei 167 Millionen Euro. Lächerlich wenig, bedenkt man, dass die Ausgaben für die Strukturfonds in den Jahren 2000 bis 2006 213 Milliarden Euro betragen. Ein halbes Jahr hat es gedauert, die Niederländer zu überzeugen, überhaupt mitzumachen. Die Niederländer überzeugt man dadurch, dass man die Engländer überredet, teilzunehmen . . . Da geht's einem wie Sisyphus, der immer wieder den Stein den Berg hochrollt.

DIE WELT: Das neue Stiftungsrecht, das dem Kulturausschuss des Bundestages am 15. Dezember vorgelegt werden soll, sieht eine Erhöhung der Absetzbarkeit von bisher fünf auf maximal 20 Prozent vor. Besteht es denn den europäischen Check-Up?

Naumann: Das neue Stiftungsrecht wird im Hinblick auf die europäische Gesetzgebung formuliert werden. Wir setzen es keiner europarechtlichen Feuerprobe aus.

DIE WELT: Nicht nur der Deutsche Künstlerbund befürchtet als Folge des neuen Stiftungsrechtes einen schleichenden Rückzug des Staates aus der Kunstförderung.

Naumann: Ein verbessertes Stiftungsrecht soll die Subventionen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Und wenn wir die kleinen Ankaufsetats der Museen betrachten, kann das nur sinnvoll sein. Kleine Stiftungen z. B. könnten Sorge tragen, dass Schulen und Universitäten mit Kunst der Gegenwart ausgestattet werden.

DIE WELT: Die Streichliste der Goethe-Institute wird immer größer. Nicht gerade ein positives Signal.

Naumann: Lassen Sie sich von den Kassandra-Rufen nicht in die Irre führen. Überprüfen Sie vielmehr, wie viel Nutzer es im Goethe-Institut in Costa Rica gab und wie hoch die Besucher-Frequenz im britischen York war. In den USA sollen fortan zwei Institute gemeinsam unter einem Dach arbeiten. Es wird nicht so schlimm ausgehen wie angekündigt.

DIE WELT: Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in den nächsten drei Jahren?

Naumann: Neben der Reform des Stiftungsrechtes haben wir viele andere Projekt im Blick: z. B. die Verbesserung der Situation von kleinen Verlagen. In Deutschland gibt es etwa 2000 bis 3000 Verlage, von denen viele am Existenzminimum liegen. Da soll ein Förderungs- und Hilfsprogramm aufgesetzt werden. Zudem konzentriere ich mich auf die Verbesserung und den Ausbau der kulturellen Strukturen in den neuen Ländern. Dazu gehört die Sanierung von Theatern und Museen. Bis 2003 konnte eine Viertelmilliarde mobilisiert werden. Und dann gibt es in Berlin noch die Museumsinsel und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren 17 Museen.

DIE WELT: Wie steht es mit der Künstlersozialkasse (KSK)? Wird der Bundeszuschuss gesenkt?

Naumann: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterzieht das Künstlersozialversicherungsgesetz einer kritischen Analyse. Man muss eines sagen: Die KSK ist zweifellos missbraucht worden. Das kommt daher, dass einige Großfirmen, Verlage und Medien sich vor ihrem Anteil an den Sozialabgaben gedrückt und immer mehr freie Mitarbeiter engagiert haben, die in die Kasse drängen. Im Gründungsjahr 1983 registrierte die KSK rund 14 000 Mitglieder, jetzt sind es an die 150 000, jedes Jahr werden es 8000 mehr. Die Reform des Gesetzes wird die Künstler selbst nicht belasten, wohl aber werden die anderen Beitragszahlungen neu gewichtet werden.

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