FEUILLETONDienstag, 6. März 2001
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Verlust der Mittler

Auswärtige Kulturpolitik ist mehr als nur Marketing

Man kann es zu den Vorteilen der besiegten Nation rechnen, dass der befleckte Ruf Deutschlands der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik einen alles in allem erfolgreichen Stil beschert hat. Die Zwangslage war methodenbildend. Deutschland (West) agierte auf unsicherem Terrain und sichtbar anders als die Konkurrenz – nicht aus besonderer Einsicht, sondern weil zwei Weltkriege und die internationale Anerkennung als Kulturnation verloren waren.

Der Wettbewerb im Kalten Krieg tat ein Übriges und führte zu einem zwar bisweilen bemühten, meist aber gut laufenden Geschäft der differenzierten Antworten auf ausländische Fragen nach unserer widersprüchlichen Kultur. So konnte Glaubwürdigkeit – das wichtigste unter den verlorenen Gütern – wiedererworben werden. Der Verzicht auf offensive Durchsetzungsstrategien im Bereich der Sprache ist das beste Beispiel. Dialog statt Schaufensterveranstaltungen und das Prinzip der Partnerschaft bei der Auswahl und Entwicklung gemeinsamer Kulturprogramme wurden zu verbindlichen Verfahren in der als „dritte Säule“ der Außenpolitik konzipierten Auswärtigen Kulturpolitik.

Die Wende kommt mit der Rückgewinnung der Souveränität in der so genannten Berliner Republik, mit dem „faktischen Abschluss unserer Nationalstaatsbildung“ (Joschka Fischer). Man traut sich in Berlin auf internationalem Parkett wieder mehr zu. Es wird zwar noch geübt – etwa bei der Besetzung hoher internationaler Posten oder beim Eintreten für die deutsche Sprache in europäischen Gremien –, aber man ist selbstbewusster (manche sagen selbstvergessener). Ein neuer Tonfall herrscht. Und es gibt offenbar wieder legitime Interessen der deutschen Kultur im Ausland.

Cool Germany

Dies fällt zusammen mit der Knappheit der Mittel und dem Siegeszug des neoliberalen Diskurses in der Kultur. Die weichen, kulturellen Faktoren werden im globalen Wettbewerb zuhard facts.So „positioniert“ sich die Berliner Republik auf dem Weltmarkt für Kultur. Die Methoden heißen Marketing und engagierte Produktstrategien. Beimbenchmarkingin diesem Geschäft wird man früher oder später auf die Briten stoßen wie unlängst Antje Vollmer (in derFrankfurter Allgemeinenvom 18. 12. 2000), die dem Goethe-Institut dringend den British Council als Vorbild empfahl. Dessen Methode beruht auf einem cleverenbranding,einer Markenstrategie für die Nation, wie sie BlairsCool Britanniabeinhaltet. Reale Kulturinstitute können dann zu Gunsten virtueller Internet-Angebote und attraktiver Stipendienprogramme geschlossen werden: „more clicks, less bricks“ – und vier Institute weniger in Deutschland.

Und da gibt es natürlich die Amerikaner, die neben einer global triumphierenden, keiner staatlichen Unterstützung bedürfenden Kulturindustrie dezidiert und mit blendendem Erfolg auf die Gewinnung junger Eliten durch erstklassige Stipendien- und Betreuungsprogramme setzen. Warum also noch die Mühsal feingliedriger Dialogveranstaltungen, wenn man auf anderem Weg regelmäßig hohe Anteile der wirtschaftlichen und politischen Entscheider eines Jahrgangs auf seine Seite ziehen kann?

Also zählen wir die Staats- und Regierungschefs der Welt mit Deutschkenntnissen: Tschou En-lai und Putin, Claude Juncker, Erbakan und Habibie (nicht alles lupenreine Demokraten, aber immerhin . . . ). Folgerichtig ist das derzeitige Lieblingskind der Auswärtigen Kulturpolitik die Aufwertung des internationalen Studienstandorts Deutschland. Beim Wettbewerb um junge Intelligenz will sich niemand überbieten lassen. Die Mittler wittern fette Budgets und stehen Schlange bei der Politik. Doch werden sich die künftigen Eliten aus aller Welt für die nicht ganz leichte deutsche Sprache und ein Land, aus dem immer wieder die Kunde von Ausländerfeindlichkeit dringt, allein auf der Grundlage schicker Internetseiten entscheiden?

Derzeit entstehen geradezu epidemisch so genannte Deutschland-Portale, viele von ihnen öffentlich finanziert, die den Massen ausländischer Kultur-Surfer optimale Verlinkung zu deutschenhighlightsversprechen. Man ahnt, dass eine Vielzahl dieserstart-upsdie ersten Schübe der naiven Online-Euphorie wohl kaum überleben wird. Dienew culturehat bis jetzt wie dienew economyvor allem gute Stories für Analysten zu bieten, die wirklichen Geschäfte lassen auf sich warten.

Eine Alternative verbindet sich mit dem Begriff der Vermittlung. Gewiss, im Verhältnis zur schnittigen PR-Terminologie strahlt dieses Wort eine gewisse Schwere aus. Aber es geht um nicht weniger als die kommunikative, ja geistige Arbeit der Analyse und Übertragung, nicht um den warenmäßigen Tausch von Produkten. Falls wir bereit sind, bei diesem, zugegebenermaßen anspruchsvollen Konzept zu viel Rabatt zu geben, machen wir uns selber überflüssig. So wie der Einsatz für die deutsche Sprache vor dem Hintergrund der nur relativen Bedeutung des Deutschen prinzipiell der Sprachenvielfalt im europäischen Vielklang gelten sollte, können wir es uns gar nicht leisten, das allein auf den Produkterfolg, also auf die Verdrängung des Konkurrenten zielende Marktparadigma im Kulturaustausch zu privilegieren. Eines der ersten Opfer, siehe etwa die Geschichte des deutschen Films, wären ja immer wir selbst.

Es geht um den kleinen und schützenswerten Sektor einer öffentlich initiierten internationalen Kulturarbeit von der Gastchoreografie bis zur Übersetzungsförderung. Das ist ein zwar nicht einfaches, aber keineswegs esoterisches Geschäft. Wenn zum Beispiel seit der großen europäischen Wende vor mehr als zehn Jahren in den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks die Politische Philosophie auf Kantische Grundprinzipien umgestellt wird, ist Vermittlung gefordert. Einige unserer besten „Produkte“, zum Beispiel der kategorische Imperativ, lassen sich nicht vermarkten. Im Aufeinandertreffen der Kulturen sollte es nach diesem Maßstab keine Verdrängung geben, sondern wechselseitige Bereicherung.

Im Wettlauf um begrenzte Aufmerksamkeits- und Zeitbudgets der Zielgruppen – man kann nicht beliebig viele Sprache lernen – sind Instrumente des Marketings heute unumgänglich. Man kann also das eine tun, ohne das andere zu lassen. Eine gute Marktstrategie für seine Bücher war schon einem Goethe einiges wert. Man sollte diese Sekundärkompetenz nur nicht mit der wirklichen Aufgabe verwechseln. Das neue Goethe-InstitutInter Nationes wird an der Aufmerksamkeit für seine Kernkompetenz gemessen werden.

BERTHOLD FRANKE


Der Autor ist Pressesprecher des Goethe-Instituts Inter Nationes.

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ArtikelSZ vom 06.03.2001 - Feuilleton
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