Goethe-Institut unterm Hammer

Streit um Entschädigung: Athen droht mit
Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften

 

Von E. ANTONAROS

Athen - Der Streit um griechische Reparationsforderungen
in Millionenhöhe an Deutschland spitzt sich zu. Die
Anwälte der Hinterbliebenen von Todesopfern eines
Waffen-SS-Massakers während der deutschen
Besatzungszeit kündigten in Athen die "nötigen Schritte"
zur Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften in
Griechenland an.
Nach einem Bericht der Athener Zeitung "Ethnos" sollen
das traditionsreiche Deutsche Archäologische Institut, das
Goethe-Institut und die Deutsche Schule Athen Ende
September unter den Hammer kommen, weil sich Berlin
weigert, die rechtskräftig festgelegte
Entschädigungssumme zu überweisen.
Hatte Athens Regierungssprecher Dimitris Reppas
zunächst noch betont, dass eine Beschlagnahme "ohne
Zustimmung des Justizministeriums nicht möglich" sei,
erklärte Justizminister Michaelis Stathopoulos gestern, er
sei sich nicht mehr sicher, ob diese Genehmigung
tatsächlich nötig sei. Denn die Kläger beriefen sich auf
internationales Recht wie die Menschenrechtskonvention.
In Athen ist die politisch hoch brisante Angelegenheit
längst zur Chefsache geworden. Der mit Deutschland eng
vertraute sozialistische Premier Kostas Simitis traf zu einer
Krisensitzung mit dem ebenfalls deutschsprachigen
Justizminister sowie Außenminister Papandreou zusammen.
Dem Premier geht es zweifellos um Schadensbegrenzung
im Umgang mit dem wichtigen Partner Deutschland.
Andererseits kann er nicht den Eindruck entstehen lassen,
dass er die nach griechischer Auffassung legitimen
Forderungen von Kriegsopfern unter den Teppich kehrt.
Wie "Ethnos" weiter berichtet, will Bundesaußenminister
Joschka Fischer Ende Juli in Athen darüber reden.
Die Frage von zusätzlichen Reparationen an
Griechenland war erst vor wenigen Wochen akut
geworden, nachdem der Oberste Gerichtshof mit großer
Mehrheit ein erstinstanzliches Urteil bestätigt hatte:
Danach wird Deutschland zu einer Zahlung von
9,45 Milliarden Drachmen (56 Millionen Mark) wegen eines
Massakers in der nördlich von Athen liegenden Kleinstadt
Distomo im Juni 1944 an 214 griechischen Zivilisten
verurteilt.
Ursprünglich hatte sich die Bundesregierung geweigert,
die Zuständigkeit der griechischen Gerichte anzuerkennen,
und auf die "Staaten-Immunität" gepocht. Durch eine
später eingereichte Sprungrevision machte das
Auswärtige Amt aber eine Kehrtwende und ermöglichte die
Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die nach
griechischer Rechtsauslegung europaweit vollstreckbar
sein soll. "Uns wird nichts daran hindern, eine
angemessene Entschädigung der Kriegsopfer
durchzusetzen", betont der ehemalige Abgeordnete Jannis
Stamoulis, der als treibende Kraft hinter Dutzenden
Sammelklagen gilt. Er will zwischen dem 20. und
27. September den Gerichtsvollzieher losschicken und die
deutschen Liegenschaften zwangsversteigern lassen -
Startpreis soll die Hälfte des Schätzwertes sein.
Seit Monaten zerbricht sich die deutsche Diplomatie den
Kopf darüber, wie sie das Problem lösen kann, ohne einen
kostspieligen Präzedenzfall zu schaffen. Bei seinem
Staatsbesuch in Griechenland im Frühjahr hatte
Bundespräsident Johannes Rau sogar von einer
"symbolischen Geste" an die Griechen gesprochen, mit der
ein Schlussstrich gezogen werden könnte. Doch selbst
eine solche Geste würde keine Garantie dafür liefern, dass
andere Gruppen nicht auf die Idee kommen werden,
ähnliche Forderungen durchzusetzen. (SAD)

 

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