D R U C K V E R S I O N  
   
30.09.1999
Akademischer Neuaufbau Südosteuropa
Ein Förderprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes
von Bettina Burkart
   


Seit der Stabilitätspakt für Südosteuropa ins Leben gerufen wurde, rauchen vielerorts in Deutschland die Köpfe über Projekten und Vorhaben, die im Rahmen eben dieses Paktes Hilfestellungen für die Region anbieten wollen. Da bildet auch der Deutsche Akademische Austauschdienst keine Ausnahme. Unter dem Namen "Akademischer Neuaufbau Südosteuropa" hat der DAAD jetzt eine großes Förderprojekt vorgelegt und hofft dafür auch auf Mittel aus dem Stabilitätspakts- Fond. Dr. Helmut Blumbach, Gruppenleiter Osteuropa/GUS beim DAAD erläutert die wichtigsten Komponenten: "Zu diesen Programmen zählt einerseits im Bereich der Ausbildung die Betreuung und die Aufnahme von Stipendiatengruppen aus der Krisenregion, also etwa aus dem Kosovo, aus Montenegro, aus Albanien, aus Mazedonien. Dazu zählt andererseits, dass wir die Hochschulen insbesondere in Deutschland ermutigen wollen, durch Intensivkurse vor Ort, durch die Entsendung von Dozenten für kürzere Aufenthalte, unmittelbar zur Verbesserung der Qualität der Lehre beizutragen. Wir haben vor, in Pristina ein Büro zu eröffnen, eine Kontaktstelle, die von einer DAAD-Lektorin geleitet wird, die gleichzeitig an der Universität lehren soll. Wir haben längerfristig vor, an ausgewählten Standorten Studien- und Forschungszentren in Fachbereichen zu eröffnen, die für den Wiederaufbau, den Neuaufbau und auch für die schrittweise Integration Südosteuropas nach Europa wichtig sind."

Im Zentrum des Programms stehen Hochschulpartnerschaften. Das Ziel sind nicht nur bilaterale Partnerschaften zwischen einer deutschen beispielsweise einer bulgarischen Universität, sondern es geht auch um den Aufbau eines Netzwerks von Partnerschaften unter Einbeziehung mehrerer Universitäten aus verschiedenen Ländern der Region. Damit, so Dr. Blumbach, solle die regionale Zusammenarbeit wieder angekurbelt und gestärkt werden. Für diesen Teil des Aufbauprogramms wird wohl das Auswärtige Amt die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Und deshalb hat der DAAD hier auch bereits mit den Vorarbeiten begonnen. Dr. Blumbach: "Wir haben also zunächst einmal an alle deutschen Universitäten und Fachhochschulen geschrieben und sie aufgefordert, Ideen, Konzepte zu entwickeln für ein solches Aufbauprogramm. Und wir haben ihnen auch jetzt schon Mittel in Aussicht gestellt, um zum Beispiel vor Ort mit den Partnern Kontakt aufzunehmen oder um Kollegen aus der Region nach Deutschland einzuladen, genau zur Vorbereitung eines längerfristigen Programms."

Der DAAD ist zuversichtlich, dass die deutschen Hochschulen sich intensiv engagieren werden, denn er hat unmittelbar nach dem Ende des Bosnienkrieges sehr positive Erfahrungen gemacht. Auch damals gab es in Deutschland eine Reihe von Hochschulen, Hochschullehrern und Instituten, die kurzfristig bereit waren, Aufbauarbeiten zu unterstützen. So läuft zum Beispiel an der Universität Hamburg ein Projekt für fortgeschrittene Studierende und junge Ärzte aus Bosnien und Kroatien. In regelmäßigen Abständen werden sie in Intensivkursen über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse informiert und geschult. Die Universität Erlangen/Nürnberg hat in Sarajewo zum Wiederaufbau der Fakultät für Maschinenbau beigetragen und dafür auch ganz erhebliche Mittel bei der Bundesregierung locker gemacht. Ebenfalls in Sarajewo unterstützt die Universität München ein Projekt zur Entwicklung von Therapieformen für traumatisierte Menschen, insbesondere Kinder.

Schon jetzt hat der DAAD mit einigen Sofortmaßnahmen begonnen. An der Universität Ljubljana, die die Gastgeberrolle übernommen hat, läuft derzeit mit Unterstützung der Universität Jena ein Deutsch- und Landeskundekurs für Germanistikstudenten. Das Besondere an diesem Kurs: die Gruppe der Studierenden setzt sich zusammen aus Kosovo-Albanern und Serben. Dr. Blumbach: "Nächste Woche wird in Ohrid, in Mazedonien, ein Kurs durchgeführt im Bereich Ingenieurwissenschaften, eine Art Herbstakademie, so haben wir es genannt, wo ebenfalls aus verschiedenen südosteuropäischen Ländern inklusive Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo Studierende zusammenkommen und wo in der Abschlussphase dieses Kurses auch die Hochschullehrer sich versammeln werden, um erste Schritte zu beraten, wie aus solchen Sofortmaßnahmen, aus solchen ersten Versuchen, ein regionales Netzwerk der Kooperation entstehen kann."

Gerade für Studenten aus dem Kosovo ist die Situation schwierig, denn in den letzten zehn Jahren haben sie sozusagen im Untergrund oft nur behelfsmäßig arbeiten und lernen können. Doch auch während dieser Zeit hat der DAAD einzelne Stipendien zum Beispiel für Promotionen vergeben können. Dr. Blumbach: "Das sind nat rlich immer nur einzelne gewesen, und wir haben das Problem und werden es auch noch mehrere Jahre haben, dass auf Grund der langen Jahre dieser halblegalen Arbeit in bestimmten Bereichen, immer da, wo zum Beispiel anspruchsvolle Ausstattung mit Labors, mit Geräten notwendig gewesen wäre, die Qualität der Ausbildung sehr gelitten hat. Aber genau das ist ja jetzt der Ansatzpunkt, nicht nur Stipendiaten von dort weiterhin nach Deutschland oder in andere Länder der Region zu holen, sondern vor Ort sehr schnell dazu beizutragen, daß sich die Ausbildungsqualität verbessert, um genau diese Probleme aufzuarbeiten."

Das Projekt zur Förderung der Hochschulpartnerschaften wird der DAAD also auf jeden Fall durchführen. Wenn in Kürze dann die beantragten Fördermittel genehmigt werden - und da ist man in der Zentrale recht hoffnungsvoll - ist auch die mittel- und langfristige Planung gesichert. Diese umfasst hauptsächlich den Aufbau von vier überregionalen Studien- und Forschungszentren, die sich jeweils thematisch mit einem Schwerpunkt befassen: Rechtsentwicklung, ökonomische Transformation, europäische Integration und Ingenieurwesen. Die Standorte sind derzeit noch nicht festgelegt. Mit diesen Zentren soll eine wissenschaftliche Elite gefördert werden, die in der Lage ist, bei der Lösung der Probleme der Region Hilfe zu leisten.

Die Akademiker sollen die notwendigen Reformen in Südosteuropa und die schrittweise Integration in die Europäische Union wissenschaftlich begleiten und dazu beitragen, dass die Region wieder verstärkt in den internationalen wissenschaftlichen Diskurs eingebunden wird. Vor allem soll damit auch eine Kooperation der Länder der Region angestoßen werden. Dr. Blumbach: "Wir erleben dort ja im Moment leider auch eine große Abschottung. Die Grenzen sind zu, alte Kontakte sind unterbrochen. Und dort wollen wir doch - ohne jetzt in eine Nostalgie zu verfallen, was den früheren jugoslawischen Zusammenhang betrifft - helfen, dort wieder Verbindungen herzustellen. Denn langfristig geht es ja doch nur über eine gemeinsame Integration nach Europa."

© DW 1999
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