Deutsche aufgepasst, die Deutsch-Deutschen sind wieder unter uns. Sie wähnen die deutsche Sprache in Gefahr. Tatsächlich gibt es einige Anglizismen zu viel und zusätzlich dieses schreckliche Vermischen beider Sprachen zu einem "Eierhead"-Slang für Spezialisten.Vor 200 Jahren gab es das noch nicht, aber schon damals den deutschen Besen gegen den fremden Staub. Joachim Heinrich Campe (1746-1818) verdanken wir Neuwörter, die auch heute noch unseren Alltag bestimmen: "anspruchsvoll", "beteiligen", "Ausflug" und "Bedarf".
Weniger Glück hatte Campe mit seinem Vorschlag, "orientieren" durch "bemorgenländern" zu ersetzen. Immerhin hat der Trend "weg vom Orient" - außer bei Billigreisen - wieder Zukunft.
Campe könnte eine leidlich zufriedene "Mumie" sein und keine "Dörrleiche", wie er sich tot gerne genannt hätte. Dörr und so schön tot. Ein Jammer, dass wir europäisierten, angloinfizierten Neudeutschen immer noch "Mumie" sagen.
Goethe nannte jenen Campe eine "furchtbare Waschfrau, welche die Sprache des Teut säubert mit Lauge und Sand". Deutsche Reinlichkeit macht vor nichts halt, auch nicht vor der eigenen Sprache.
Schon im 17. Jahrhundert wurde vorgeschlagen, das Fenster "Tageleuchter" zu nennen, das Kloster, wie apart, "Jungfernzwinger" (da bellen die Nonnen) und den Hut "Hauptstürze". Wer zieht da nicht gerne seine Hauptstürze vor so brillanter, weltoffener Kreativität.
Doch es kommt noch schlimmer. Jener Sprachschöpfer Zesen, dieser Tageleuchter, wollte, dass wir Pistole "Meuchelpuffer" und unseren leiblichen Vater "Pflanzherr" nennen.
Vater, du mein deutscher Vater, geboren 1887 in Gleiwitz/Oberschlesien, ich verspreche dir, du wirst weiter Vater heißen und nicht und niemals Pflanzherr. Diesen Gutsherrendienstgrad erspare ich dir. Eher nehme ich den Meuchelpuffer und schieße mir ins Knie, in der Hoffnung, dass dieses nicht nur für Fußball-Chirurgen wichtige Gelenk und mein Schuss mit dem Meuchelpuffer die teutonischen Sprachreiniger besänftigen. Denn Knie kommt aus dem althochdeutschen "Kneo".
Indes droht neues Ungemach. Es ist nicht verbrieft, ob unser Knie nicht auch mit dem britannischen "knee" zu tun hat und weniger mit Armin dem Cherusker.
Wenn Sie, werter Leser, jetzt glauben, sich der Deutschtümelei durch einen Konzertbesuch, durch Flucht in die Musik entziehen zu können, dann kennen Sie unsere Vorväter schlecht. Der Germanist Max Frischdorfer, ein sächsischer Deutsch-Deutscher wie Felix Dahn, hätte am liebsten aus einem Pianisten einen "Tastenwischer" gemacht.
Konzert für zwei Tastenwischer - wie das klingt... Heller Jubel bei Mozart, Liszt und Chopin.
Stattdessen Trompetenkonzert? Nix da. Die eingedeutschte Trompete heißt "Schmetterrohr". Tschingderassabum. Ein guter Deutscher schießt und schmettert die Musik aus dem Rohr.
Fischer - gemeint ist nicht der Minister, sondern der Chöredirigent - hieße nach dem Willen derer von 1815 "Vollsangstockwerker". Gesang vom EG zum DG. Es ist ein wahrlich mühsames Streben, die Tonleiter zu erklettern.
Heute, 2001, sagen wir so leichthin "Live-Sendung", wo wir doch deutsch-deutsch die "Gleich-Sendung" fernsehen sollten. Wir kommen mit dem "Intercity" zu spät, statt womöglich noch unpünktlicher mit dem "Städteblitz" zu fahren. Unseren Kindern sagen wir, sie sollen ihre Finger von dem "Bildbandgerät" lassen, und sie werden fassungslos antworten: "Aber Papa, wir haben doch nur einen Videorekorder."
Hauptsache, Deutsch bleibt rein. Ein Verein in Leipzig wollte schon 1815 jedes öffentlich ausgesprochene Fremdwort mit einer Geldstrafe belegen. Da werden 2001 die Ohren im Bundesfinanzministerium ganz lang. Nach der Ökosteuer die Fremdwortsteuer. Vor Schreck schaltet der Videorekorder sich selbst ab. Und Deutschland wird vereichelt.