,,Allein der Vortrag macht des Redners Glück''

Moment mal - Kolumne von Klaus Bölling

Ist es reine Donquichotterie? Es wird dennoch der von vorneherein hoffnungslose Versuch gewagt, gegen Windmühlenflügel anzustürmen. Vom Wind ist die Rede, eher noch von warmer Luft.
Ärgerlicher noch als die Verhunzung unserer Sprache durch unnötige und wichtigtuerische Anglizismen ist die zunehmende Erstarrung der Sprache der Politiker.

Es verdirbt die gute Laune, wenn man an jedem neuen Tag Volksvertreter und Regierende sagen hört: "Ich gehe davon aus" oder "Ich will mal deutlich machen" und was der Phrasen mehr sind. Oder wenn sie einfache Ziele, die tags darauf schon geändert werden, zur Strategie aufblasen. Oder die aus dem Englischen wörtlich übernommene Redensart "Es macht Sinn", eine Wendung, die auch dem Bundeskanzler unentbehrlich geworden zu sein scheint. Sollte es nicht schöner und obendrein richtig heißen: "Es ist sinnvoll oder es ist sinnlos"? Die überparteilich gebräuchliche Floskel hat uns das Synchrongeschäft beschert. Das "It does not make sense", wenn es lippensynchron aus amerikanischen oder englischen Filmen übersetzt wird, muss verlängert werden. Verständliches, aber falsches Deutsch.

Eingeräumt, Herr Bundeskanzler, es handelt sich hier nicht um eine Haupt- und Staatsaktion. Ist es aber so anstrengend, den Anglizismen auszuweichen, die unsere Sprache aufblähen?

Stolz darauf, gutes und richtiges Deutsch zu sprechen, können nur wenige Politiker sein.

Damit wäre uns aber mehr geholfen als mit der anderen Version, die wir guten Gewissens den glatzköpfigen Dumpfbacken überlassen sollten.

Wer sich die ausgeschriebenen Texte unserer "Spitzenpolitiker" betrachtet - was sind das eigentlich für Wesen? - findet ihre Sprache nur selten "Spitze" im Sinne von Qualität.

Spannende Aufgabe darum für einen politisch interessierten Germanisten, der zugleich Linguist sein sollte, eine Untersuchung zu beginnen, ob Politiker in unserer Zeit, da fühle ich mich ziemlich sicher, mit weniger Wörtern auskommen als die Generation vor ihnen; ob ihr Sprachschatz, verglichen mit dem von Franz Josef Strauß, Helmut Schmidt, Herbert Wehner, Willy Brandt, Richard von Weizsäcker, Erhard Eppler oder Wolfgang Schäuble (ganz zu schweigen von Theodor Heuss) nicht jämmerlich geschrumpft ist. Ich wage die Behauptung, dass die viel besprochene Politikverdrossenheit nicht zuletzt dadurch erklärt werden muss, dass die Redner im Parlament und in den politischen Talk-Shows das Volk mit vorgestanzten und abgewetzten Wendungen langweilen oder richtig anöden. Nebenbei, was ist die angemessene Übersetzung von Talk-Shows? Am ehesten wohl Quasselrunde.

Ich höre den Zwischenruf: War das früher wirklich besser? Hat nicht der große Konrad Adenauer den komischen, verquasten Satz gesagt: "Einfacher denken is 'ne Jabe Jottes." Der Meister der Politik war kein Meister der deutschen Sprache. Sicher, die von den 68ern verhöhnte "Hochsprache" (in Wahrheit war gutes und schönes Deutsch gemeint), beherrschten auch damals nur wenige.

Und ist es nicht wichtiger, dass ein Politiker starke Argumente vorträgt? Im Zwiegespräch mit Faust meint Famulus Wagner: "Allein der Vortrag macht des Redners Glück." Goethe lässt Faust antworten: "Sei er kein schellenlauter Tor. Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor."

Auf Goethe können sich die von Sprachschablonen wie von Drogen abhängigen Politiker beiderlei Geschlechts nicht rausreden. Denn der Dichterfürst verfügte an anderer Stelle, dass eine unklare Sprache auf unklare Gedanken schließen lasse.

Ist es wirklich nur Donquichotterie, wenn zum Widerstand gegen das schlechte Deutsch der politischen Klasse mobilisiert wird? Gegen die Sprachhülsen und Wortblasen, die heute den einst rhetorisch so treffsicheren Joschka Fischer charakterisieren? Was der Außenminister neuerdings vor Mikrofonen mitteilt, ist zumeist wortreiche Leere. Sein Parteivorsitzender Fritz Kuhn zeigt, dass es anders geht. Der redet gutes und phrasenloses Deutsch, Kompliment. Was man von seiner Ko-Vorsitzenden Claudia Roth nicht sagen kann. Wer nur mit Herz und Bauch denkt, redet gefühlig, also unklar oder beliebig. Bei Roths Äußerungen zum Castor-Transport war das nicht zu überhören. Wer schon gedanklich einen Spagat macht, dem misslingt auch eine Rede von Überzeugungskraft.

Unterschätzen wir nicht, welchen unguten Einfluss die "political correctness" auf unsere Sprache hat. Zwar wird auch Alice Schwarzer im vorgerückten Alter nicht verlangen, dass wir auch noch den Bürgersteig feminisieren. Aber es war doch nicht Ausdruck patriarchalischer Überhebung, wenn früher unter dem Wort Bürger ganz selbstverständlich auch Frauen begriffen wurden. Helmut Schmidt pflegt eine Parteiversammlung gern mit "Liebe Freunde" anzureden. Es ist das Verdienst von Hans-Jochen Vogel, dass er, anfangs unter verstohlenem Kichern der Genossen, seine Reden, politisch streng korrekt, mit "Liebe Freundinnen und Freunde" begann...

 

 

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Erscheinungsdatum: 08. 04. 2001

Channel: Politik

Ressort: Deutschland

 

 

 

 

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