Auf Nummer Sicher ins Ausland mit «Erasmus»

Studieren im Ausland: Wer keine Zeit verlieren will, muss die Anerkennung seiner Leistungen bereits im Vorfeld sicherstellen

Von Hans Christof Wagner

Vor dem Hintergrund der Globalisierung wird von Studenten immer häufiger erwartet, dass sie mindestens ein, besser zwei Semester im Ausland studieren. Wer diese Herausforderung angenommen hat, signalisiere Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Fremdsprachenkenntnisse und habe damit bei Personalchefs die besseren Karten. Dennoch verbringt erst ein Zehntel der deutschen Studierenden wenigstens ein Semester im Ausland.

Studieren im Ausland, das ist aber auch ein zweischneidiges Schwert. Mobilität zeigen, Herausforderungen annehmen, Neues kennen lernen, das ist ein Aspekt. Bürokratie, mangelnde Betreuung im Gastland, Probleme mit den unterschiedlichen Universitätssystemen und der Anerkennung von Studienleistungen und Prüfungen - das sind mögliche Schattenseiten eines Auslandsstudiums, die vor allem jene Studenten zu spüren bekommen, die ihr Auslandssemester auf eigene Faust organisieren.

So gab bei einer Untersuchung zum Thema «Auslandsstudium» an der Technischen Universität (TU) Berlin nur die Hälfte der Befragten an, dass ihnen ihre Studienleistungen an der Gastuniversität später anerkannt wurden. Auch wenn sich daraus nicht schließen lässt, dass dies für die andere Hälfte nicht zutrifft, könne man dennoch davon ausgehen, dass es in vielen Fällen zu Problemen komme, berichtet das Akademische Auslandsamt. So hätten einige Studenten nach ihrer Rückkehr erfahren müssen, dass die Bescheinigungen zu ungenau ausgestellt waren. Andere allerdings hatten schlichtweg versäumt, sich ihre Leistungen dokumentieren zu lassen. Wichtig ist hier, alles im Vorfeld minutiös mit den Professoren und dem Auslandsamt abzusprechen.

Außerdem kritisierten viele, dass die für die Anrechnung zuständigen Stellen an der TU mit dem Lehrprogrammen der Gasthochschulen offenbar nicht hinreichend vertraut seien. Außerdem haben einige Studenten die Erfahrung gemacht, dass der Zeitraum ihres Auslandsstudiums mit den im Gastland üblichen Lern- und Prüfungsphasen gar nicht kompatibel war.

Nach den Erfahrungen von Friederike Schomaker, Sprecherin des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD), brauchen sich die Teilnehmer der bewährten Auslandsprogramme um Anerkennungsfragen normalerweise nicht zu sorgen. Das gelte vor allem für die Teilnehmer des meistgenutzten Programms «Erasmus» der EU, an dem sich inzwischen 30 europäische Länder beteiligen - hier erfolge der Austausch mit Partneruniversitäten, die Anerkennungsmodalitäten seien geklärt.

Erasmus ist ein Massenprogramm mit relativ niedrigen Zugangshürden, das drei- bis zwölfmonatige Auslandsaufenthalte unterstützt. Von den rund 800 Studenten der Berliner Humboldt-Universität (HU) beispielsweise, die jedes Jahr zum Studium ins Ausland gehen, nutzen allein 500 das Erasmus-Programm. Entsprechend niedrig sind die Stipendien, deren Höhe davon abhängt, wie viele Studenten einer Universität das Programm nutzen. An der Freien Universität (FU) beispielsweise erfreut sich das Programm so großer Nachfrage, dass die monatliche Zuwendung pro Teilnehmer im Schnitt nur einhundert Mark beträgt.

Wenn die Erasmus-Studenten nach Berlin zurückkehren, können sie ihre Studienleistungen seit neuestem dank dem European Credit Transfer System (ECTS) in das jeweilige nationale System umrechnen lassen, einige wenige Fächer haben sogar schon umgestellt (siehe unten). Ziel ist es, die im Rahmen des Auslandsstudiums erbrachten Leistungen als vollwertige Hauptstudiumsscheine anerkennen zu lassen.

Beliebte Anlaufstellen für Stipendien sind der DAAD und für USA-Interessierte die Fulbright-Kommission. Darüber hinaus gibt es auch hochschulinterne Programme: So pflegt beispielsweise die FU ihre traditionell guten Kontakte in die Vereinigten Staaten, wo sie 22 Partneruniversitäten hat. Die HU fühlt sich vor allem dem in DDR-Zeiten gepflegten akademischen Austausch mit Mittel- und Osteuropa verpflichtet - noch immer sind hier die bürokratischen Hürden höher als etwa in der Zusammenarbeit mit Italien oder Frankreich. HU-Studentin Anke Hennig, die 1997 an der Russischen Staatlichen Humanwissenschaftlichen Universität in Moskau studierte, erinnert sich mit Schaudern an den Verwaltungsaufwand.

Allerdings - so Eva Lack, Leiterin der Europaabteilung im Auslandsamt der FU - hätten es gerade deutsche Studenten im Ausland leichter. Sie seien es gewohnt, eigenständig zu arbeiten und könnten daher die Herausforderungen und Probleme eines Auslandsstudiums besser meistern als die um vieles jüngeren Franzosen oder Engländer, die aus wesentlich verschulteren Universitätssystemen stammten.

Infos zu DAAD-Stipendien in Europa und Übersee unter Tel. 0228/ 882-0, Kontakt zum Büro der Fulbright-Kommission in Berlin unter Tel. 284 44 30. Näheres zum Erasmus-Programm bei der Arbeitsstelle EU des DAAD, Tel. 0228/882-413 oder - 466. Auskünfte zu eigenen Universitätspartnerschaften erteilen die Auslandsämter der Universitäten.

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